Wendy ist Ergotherapeutin in der Schweiz: „Wir können die Piste von zu Hause aus sehen“
Jährlich wandern etwa 40.000 Niederländer ins Ausland aus. Wie gefällt ihnen das Arbeiten in ihrem neuen (vorübergehenden) Zuhause? Und wollen sie überhaupt noch zurück in die Niederlande? Dieses Mal sprechen wir mit Wendy Bart in der Schweiz.
- Wer: Wendy Bart
- Beruf: Ergotherapeutin
- Wo: Interlaken, Schweiz
- Im Ausland seit: Dezember 2021
Wie bist du in die Schweiz gekommen?
„Während meines Ergotherapie-Studiums habe ich von Leuten gehört, die in der Schweiz gearbeitet haben. Auf LinkedIn wurde ich auch einmal von einem Recruiter kontaktiert, aber ich bin damals nicht darauf eingegangen. Dann habe ich meinen Freund zum Spaß in einer Stellenanzeige für eine Physio-Stelle in der Schweiz markiert – und er war sofort total begeistert.“
Aber du musstest erst mal darüber nachdenken.
„Ja, ich dachte sofort: Wie sollen wir das machen? Wir wohnen dann weit weg von unserer Familie und sprechen kein Deutsch. Aber gleichzeitig war ich neugierig. Wir lieben Bergwandern, und mein Freund ist ein großer Wintersportfan. Nach und nach wurden wir immer begeisterter, und schließlich haben wir mit einer speziellen Vermittlungsagentur gesprochen. So sind wir letzten Dezember in einem kleinen Dorf in der Nähe von Interlaken gelandet – und jetzt arbeiten wir beide im Krankenhaus um die Ecke.“
„Die Schweizer finden unser Ausbildungsniveau sehr hoch, deshalb stellen sie gerne Ergotherapeut*innen aus den Niederlanden ein.“
Warum sind niederländische Ergotherapeut*innen so gefragt?
„Es gibt hier zu wenige. Die Ausbildung dauert sehr lange und wird nur an einem Ort in der Schweiz angeboten. In den Niederlanden kann man sie an viel mehr Orten machen. Außerdem schätzen die Schweizer unser Ausbildungsniveau sehr – darum nehmen sie gerne niederländische Ergotherapeut*innen.“
Wie läuft es inzwischen mit deinem Deutsch?
„Als wir gehört haben, dass wir umziehen werden, haben wir sofort mit einer Sprach-App angefangen. Später haben wir einen Onlinekurs bei einer Sprachschule in Berlin gemacht. Der Schweizer Akzent ist schon schwer zu verstehen, aber man gewöhnt sich schnell dran. Meine Kolleg*innen bitte ich meistens, ganz langsam zu sprechen oder Hochdeutsch zu reden.“
Gefällt dir dein neuer Job?
„Ich habe vorher immer in Reha-Zentren gearbeitet – ein Krankenhaus ist ganz anders. Ich arbeite oft auf der Intensivstation, das ist total interessant. Früher haben das die Physiotherapeut*innen gemacht, jetzt machen wir es gemeinsam. Ich habe viel Freiheit, meine Arbeit selbst zu gestalten. Das macht richtig Spaß.“
Woran musstest du dich gewöhnen, als du in die Schweiz gezogen bist?
„An die Lebenshaltungskosten. Da erschrecke ich mich auch nach über zwei Monaten noch regelmäßig. Die Lebensmittel sind zum Beispiel sehr teuer – für 500 Gramm Hackfleisch zahlst du locker sieben Euro. Auch Ausgehen kostet viel, aber wir machen es trotzdem. Wenn man auf die Piste geht, sitzt man da ja auch nicht mit einem Käsebrot.“
„Ich war noch nie im Skiurlaub, aber ich habe gemerkt, dass es mir superviel Spaß macht.“
Was gefällt dir am besten an deinem Leben dort?
„Unsere Wohnung ist super, genauso wie die Umgebung. Es ist total ruhig und wir wohnen ganz nah an den Bergen. Ich kann die Piste sogar aus unserem Wohnzimmerfenster sehen. Wenn es so bleibt, will ich nie wieder weg. Aber natürlich vermisse ich meine Familie und Freunde. Und das Meer – ich kann sonntags nicht mehr einfach am Strand spazieren gehen. Aber wenn man hier das Panorama sieht, ist das schnell vergessen.“
Was macht ihr am liebsten am Wochenende?
„Wir gehen viel Skifahren. Ich war vorher noch nie im Skiurlaub, aber ich habe gemerkt, dass es mir mega Spaß macht. Manche Pisten sind noch ziemlich schwierig, aber ich habe Unterricht. Neulich hatten wir Freunde zu Besuch, und wir haben richtig Skiurlaub gemacht. Alle sagten: ‚Dass ihr hier wohnt, Wahnsinn!‘ – das sagen wir uns übrigens auch jeden Morgen, wenn wir nach draußen schauen.“
Artikel von: nu.nl